Das „Zwembad Het Blauwe Meer“ in Dinxperlo
Generationen von Kindern und Jugendlichen aus Suderwick haben im „Blauen Meer“ das Schwimmen gelernt und viel Freizeit verbracht. Der gebürtige Suderwicker Rainer Hübers-Kemink erinnert sich hieran und auch an andere Aktivitäten und Begegnungen auf der anderen Seite der Grenze. Reichen auch Sie gerne Erinnerungen oder interessante Geschichten für unsere Webseite ein.
„Die Grenze hat es für uns gefühlt nicht wirklich gegeben“
Was vor Jahrzehnten den Bocholter Badebegeisterten die „Tonwerke“ in Bocholt oder „Rappers Kölke“ in Rhede bedeutete, war für die an der niederländischen Grenze lebende Bevölkerung, insbesondere aus Suderwick, das „Zwembad Het Blauwe Meer“ in Dinxperlo (NL).
Generationen von Kindern und Jugendlichen aus Suderwick haben in diesem Natur Bad das Schwimmen gelernt und viel Freizeit verbracht; selbst Angelsportler konnten hier ihrem Hobby nachgehen.
Da der Weg zum Schwimmen von Suderwick nach Bocholt relativ lang war, badete man im Sommer entweder in der „Bäke“ (Holtwicker Bach), der Aa oder aber – und das war naheliegend und auch angesagt – im Naturschwimmbad „Het Blauwe Meer“, in der niederländischen Nachbargemeinde Dinxperlo.
Zur damaligen Zeit gab es natürlich eine Staatsgrenze mit entsprechenden Zollhäusern, hüben wie drüben, aber dennoch war sie für die Suderwicker, auch wegen der vielen grenzüberschreitenden verwandtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen, kein Hindernis. Wie selbstverständlich kaufte man in Dinxperlo beim „Zuivelman“ und „Grontenman“ seine Milchprodukte und Gemüse ein oder gönnte sich eine Portion der wohlschmeckenden holländischen Patat (Pommes Frites).
Im Sommer führte der Weg regelmäßig zum „Zwembad Het Blauwe Meer“ und hier wurde schon sehr frühzeitig der europäische Gedanke und das Miteinander gelebt und gepflegt; lange bevor es die „EU“ – wie wir sie heute kennen – gab. Man traf sich mit seinen holländischen Freunden / Freundinnen, spielte Fußball, besuchte die niederländische Diskothek, trieb Sport als Mitglied in der „Gymnastiekvereniging KEV (Kraft und Freundschaft) Dinxperlo, etc. und lernte die Besonderheiten des jeweils anderen kennen.
Wenn man sein Fahrrad auf dem mit Fahrrad übersäten Platz vor dem Zugang mit dem hölzernen Kassenhäuschen – über dem die niederländische Fahne wehte – abgestellt hatte und durch den schmalen Eingang ins Bad ging, blickte man schon auf die große Wasserfläche, die durch Pfeiler und Betonstege dreigeteilt war. Im vorderen Bereich gab es die kleinen, z.T. nur knietiefen Badebereiche für die Kleinen / Nichtschwimmer und weiter hinten, den großen, teichähnlichen Bereich für die Schwimmer, der auch über ein 3-Meter-Brett verfügte. Rings herum standen dort große Pappeln und unmittelbar am Wasser und an der Böschung gab es genügend Rasen- und Sandplätze zum Liegen, sich auszutauschen, zum Ausruhen, Fußballspielen, etc.; letzteres häufig in der Mannschaft-Aufstellung „Holland gegen Deutschland“ – immer kämpferisch, aber mit dem notwendigen Respekt und Fairness.
Eine Sprachbarriere gab es kaum: meistens kam man mit „Platt“ weiter. Im Übrigen wurde damals in den niederländischen Schulen vielfach deutsch gelehrt, sodass eine Kommunikation problemlos funktionierte. Sowieso hatte man den Eindruck, dass unsere niederländischen Freunde / Freundinnen ohnehin deutlich
besser Sprachen beherrschten: erlernt entweder im Schulunterricht oder aber auch durch die zahlreichen Untertitel zu einzelnen Filmen im Fernsehen.
Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass so mancher im „Blauwe Meer“ die Liebe seines Lebens fand. Jeder, der dieses Stück Geschichte miterlebt hat (das Bad gibt es heute so nicht mehr), behält es in guter Erinnerung und hat immer noch mehr oder weniger intensive Kontakte und pflegt Freundschaften zu damaligen Badbesuchern.
Nach dem Schwimmen ging es regelmäßig zur Stärkung und zum geselligen Beisammensein in die Patat-Bude „Jansen“, die vom damaligen Bademeister betrieben wurde, um hier die köstlichen holländischen Snacks und Getränke zu genießen und den neuesten internationalen, angesagten Liedern (z.B. der Beatles, etc.) zu lauschen.
Es war eine prägende Zeit gegenseitigen Lernens und Respektierens: da gab es neben der anderen Sprache auch das unterschiedliche Schul- und Währungssystem, die kulturellen Besonderheiten, die andere Art zu leben, etc.; und selbstverständlich wurden bei etlichen Diskussionen auch das unsägliche Leid und die Gräueltaten in den Weltkriegen nicht ausgespart.
Es war eine herrliche Zeit und die überwiegende Einstellung und Empfindung der Bevölkerung in Suderwick und Dinxperlo war: „Die Grenze hat es für uns gefühlt nicht wirklich gegeben“- und das ist – Gott und den Dinxperwickern sei Dank – bis heute so geblieben.
Dr. Rainer Hübers-Kemink