Brief an Regionalrat zum Kiesabbau in Suderwick
12-03-2012
Kiesabbau in Bocholt-Suderwick lt. Entwurf Regionalplan Münsterland
Sehr geehrter Herr / geehrte Frau,
wenn „Holland in Not“ ist, so hat die Geschichte gezeigt, befanden sich zumeist auch die Suderwicker in großer Bedrängnis. Sei es vor Jahrhunderten, als die Spanier die
Niederlande erobern wollten oder noch vor wenigen Jahrzehnten, als die deutsche Naziherrschaft unser kleines Nachbarland überfallen hat und ein Stacheldrahtzaun die deutschen
und niederländischen Nachbarn der beiden zusammengewachsenen Orte Dinxperlo und Suderwick brutal trennte. Jetzt sind wir Grenzbewohner wieder in großer Bredouille: Kiesabbau!
Im Gegensatz zu früheren Zeiten haben wir aber jetzt eine Chance, Unheil abzuwehren. Wir „Dinxperwicker“ sind in größter Aufruhr. Als Vorsitzender des Heimatvereines weiß ich
davon aus unzähligen besorgten Gesprächen. Diesseits und jenseits der nicht mehr vorhandenen Grenze ist in den letzten Monaten eine aufgeregte Solidargemeinschaft gegen die
Zerstörung unserer gemein-samen Heimat entstanden. Mit meinem Brief spreche ich für viele Menschen.
Die Abbaufirma suggeriert: Ein tolles Naherholungs- oder Naturschutzgebiet entsteht und wir haben in 40 Jahren paradiesische Zustände. Ach ja, es entstehen ja auch noch
Arbeitsplätze und die Unternehmen in unserer Region profitieren. Die angepriesene allerdings erst in weiter Ferne zu erwartende hohe Lebensqualität sehen wir aber auch
dann noch nicht, wenn nach Jahrzehn-ten nervtötendem Krach und extrem hohem LKW-Verkehrsaufkommen ein romantischer „Zweiländersee“ fertig ist. Wir würden ihn auch ohne die
vorherigen erheblichen Beeinträchtigungen ablehnen. Warum?
Wir Menschen an der Grenze haben zu genüge unter einer trennenden politischen Grenze gelitten. Erst nach Schengen konnten wir wieder richtig aufatmen und uns frei fühlen.
Und jetzt? Nun drohen neue Grenzen. Zum Westen hin, rd. 1000 Meter von den Ortsgrenzen entfernt, sind die Bagger auf der bereits genehmigten Abbaufläche „Isselburg-Breels“
schon bei der Arbeit. Die Pläne sehen dort vor, die Fläche sogar noch von 45 auf 120 ha zu vergrößern (Wenn die einmal Fuß gefasst haben ….). Unmittelbar an der Ortsgrenze
im Osten unseres Dorfes sind nun weitere „natürliche“ Grenzen in einem Umfang von 90 bis 120 ha geplant. Bedrohung nun also von zwei Seiten! Ist ein weiterer riesiger See
unabwendbar? Wenn die Seen kommen, sind sie jedenfalls für immer und ewig unüberwindbar. Die Menschen fühlen sich hierdurch äußerst benachteiligt, in ihrer Bewegungsfreiheit
unangemessen einschränkt und total eingeschnürt.
Sie als Politiker, die den Willen der Bürger im Bezirksplanungsrat vertreten, lassen uns hoffen, dass das hohe Schutzgut Mensch bei der Abwägung zwischen ökonomischer und
ökologischer Gewinnung ausreichend berücksichtigt wird. Bitte bedenken Sie die großen Ängste!
Angesichts enormer Nutzungskonkurrenzen und Konflikte ist Ihre Aufgabe ein wahrlich schwieriges Planungsgeschäft. In fachlicher Hinsicht werden Sie sich von vielen Gutachten, die
vielleicht einen Kiesabbau grundsätzlich zulassen, leiten lassen können. Wo aber bleibt das Gutachten für die Psyche und das Befinden der Menschen? Lärm lässt sich messen, wie
sieht es aber mit den Gefühlen der Menschen aus? Hier sind Sie gefragt, mit Ihrem Ohr am Bürger. Deren Sorgen und große Nöte können Sie bei den Abwägungsprozessen einbringen.
Hierfür braucht es keine Ingenieure und Wissenschaftler. Da hilft der gesunde Menschenverstand.
Bitte berücksichtigen Sie bei Ihren Entscheidungen, dass unser Raum mit den Erweiterungs-plänen in Abbaugebiet „Breels“ auf 120 ha bereits mehr als belastet wäre und dass nun
Pläne für Suderwick für die hier lebenden Menschen in hohem Maße unzumutbar sind. Berücksichtigen Sie insbesondere auch, dass allein schon der Frachtverkehr des in der „Breels“
abgebauten Materials auch ins Münsterland gehen soll und damit unweigerlich durch Suderwick und durch die vielen kleinen Nachbarorte. Stellen Sie sich vor, wie viel Lärm und
Luftverunreinigung und Verkehrs-gefahren durch dann insgesamt rund 240 ha weiterer geplanter Abbauflächen zu erwarten ist?
Vielleicht gibt es in hunderten von Jahren – dann wird ja immer noch der wertvolle Kies benötigt – keine Alternativen mehr. Dann muss man sich in Gottesnamen den Zwängen des
Bedarfes, wie immer er gemessen wird, ergeben. Aber bitte, in den nächsten hundert Jahren noch nicht! Das müsste auch Ihre Folgerung sein, wenn Sie sich die Ausmaße vorstellen,
die Sie als politisch Verantwortliche und lebenserfahrene Menschen im Gegensatz zu manchen Gutachten zum Wohle vieler Menschen gewiss richtig einschätzen können.
Ein Gespenst geht um in Dinxperwick, lassen Sie es bitte nicht aufleben!
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Hoven