Rückblick auf: „Einmal Niederlande und zurück. Deutsche Gebiete unter niederländischer Auftragsverwaltung, 1949-1963“
Wie lebten die Deutschen unter niederländischer Verwaltung? Wie kam es zu den Grenzkorrekturen? Und was ist von diesen niederländischen Jahren heute noch geblieben? Diese Fragen beantwortete die Ausstellung „Einmal Niederlande und zurück“, die vom 18. Juni bis zum 12. Juli 2014 im Medienzentrum der Stadt Bocholt zu sehen war. Sie zeigte die spannende und wechselvolle Geschichte im Grenzgebiet zwischen Deutschland und den Niederlanden von 1949 bis 1963. Aus dem Kreis Borken war die damals noch selbständige Gemeinde Suderwick betroffen, die seit 1975 ein Ortsteil der Stadt Bocholt ist.
Die Wanderausstellung „Einmal Niederlande und zurück“ widmete sich einem weitgehend vergessenen Kapitel der deutsch-niederländischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg: der niederländischen Annexionspolitik, ihren Ursachen und Folgen sowie ihren Auswirkungen auf die Menschen in den betroffenen Gebieten im Westen Deutschlands.
Die von der Stichting Cultuur en Grensgeschiedenis verantwortete Ausstellung wurde unter der Schirmherrschaft der Bürgermeister der Stadt Bocholt und der Gemeinde Aalten sowie unter engagierter Beteiligung des Heimatvereins Suderwicks und seiner niederländischen Kooperationspartner in Bocholt gezeigt. Zuvor war sie zu Beginn des Jahres bereits in Münster und im niederländischen Sittard zu sehen und wurde dort von 4.500 interessierten Besucherinnen und Besuchern besichtigt.
Deutsche Gebiete unter niederländischer Auftragsverwaltung
In seiner Einführung in die Ausstellung stellte der Historiker und Projektkoordinator bei der Euregio Rhein-Waal in Kleve, Tim Terhorst, heraus, dass bereits im Jahr 1944 erste Forderungen nach Gebietsannexionen als deutsche Reparationsleistung in den Niederlanden laut wurden. Freilich gab es für allzu weit reichende Angliederungspläne dort selbst keine Mehrheit. Überdies standen die USA und Großbritannien Gebietsforderungen westlicher Staaten an das besiegte Deutschland sehr skeptisch gegenüber. Von den im Jahr 1946 zunächst geltend gemachten niederländischen Ansprüchen auf 1.750 km² Land im Westen Deutschlands wurden 1949 daher lediglich circa 70 km² vorläufig unter niederländische Verwaltung gestellt. 10.000 Deutsche lebten so bis 1963, als die Gebiete zurückgegeben wurden, unter niederländischer Hoheit. Suderwick war dabei in besonderer Weise betroffen. Anders als im Selfkant und in Elten, wo ganze Dörfer an die Niederlande fielen, wurde der heutige Bocholter Ortsteil geteilt. Suderwick-West kam mit 350 dort lebenden Menschen, aber auch z.B. der katholischen Kirche, der katholischen Volksschule und einigen Geschäften zu den Niederlanden.
Manuela Friedrich, Projektleiterin und Kuratorin der Wanderausstellung „Einmal Niederlande und zurück“ betonte den eigenen Stellenwert Suderwicks bei diesen Grenzkorrekturen. „Suderwick wurde als Dorf getrennt“, so Friedrich. Dieser Teil der Geschichte sei bisher noch nicht so erforscht worden wie die Grenzkorrekturen in Elten und im Selfkant. Hierzu leistete diese Ausstellung einen ersten wichtigen Beitrag.
Veranstalter und Förderer
Die Ausstellung „Einmal Niederlande und zurück“ wurde von der „Stichting Cultuur en Grensgeschiedenis“ in Zusammenarbeit mit dem „Duitsland Instituut Amsterdam“, dem „Zentrum für Niederlandse-Studien Münster“, der Stadt Bocholt und den Gemeinden Aalten und Monterferland sowie der Regio Achterhoek aus den benachbarten Niederlanden gezeigt. Sie wurde durch die EUREGIO, den Kreis Borken, die Volksbank Bocholt, den Heimatverein Suderwick, die Stichting Bewaar ’t Olde Dinxperlo, den Lionsclub Montferland-Emmerich und das Europe-direct Informationszentrum Bocholt gefördert.
Die Gemeinde Montferland beteiligte sich über eine Informationssäule ihrer Touristeninformation. In einem kurzen Videobeitrag wurden dort Informationen zum Inhalt der Ausstellung in Bocholt gegeben.
Begleitprogramm zur Ausstellung
Um das Thema über die Ausstellung hinaus breiter zu entfalten, wurde ein darauf abgestimmtes Begleitprogramm organisiert. So zeigten 14- und 15-jährige Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Plakatausstellung „Gute Nachbarn sind ein echter Schatz“, die vom 23. Juni bis zum 5. Juli 2014 im Foyer des Bocholter Rathauses zu sehen war, ihre Sicht auf die Niederlande und Deutschland. Die Plakate waren am „Tag der Nachbarsprache“ am 10. April 2014 im Bocholter Textilwerk im Rahmen eines Kunstworkshops entstanden.
Der Heimatverein Suderwick stellte in Kooperation mit der Stadt Bocholt den diesjährigen „Suderwicker Radwandertag“ unter das Motto „Einmal Niederlande und zurück“. Zwei Rundtouren führten am Sonntag, 29. Mai 2014, zur Ausstellung im Medienzentrum, wo Führungen durch die Ausstellung angeboten wurden.
Der Kreis Borken lud, in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Bocholt, am 1. Juli 2014, zu einer besonderen Führung durch das Kreisarchiv ein. Beim Rundgang ging Dr. Volker Tschuschke besonders auf Archivalien ein, die aus der wechselvollen Geschichte Suderwicks erzählen.
Berichte von Zeitzeugen konnten Interessierte am Donnerstag, 3. Juli 2014, 19 Uhr, im Medienzentrum hören. In Kooperation mit dem Heimatverein Suderwick hatte die Stadt Bocholt im Rahmen des Gesprächskreises Bocholter Stadtgeschichte zu einer offenen Podiumsdiskussion eingeladen. Dabei wurden zahlreiche Aspekte des täglichen Lebens an und mit der damals neuen Grenze thematisiert.
Durch die Ausstellung und das Begleitprogramm wurde ein weitgehend vergessenes Kapitel der Geschichte unserer Region wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt und so der Wert eines offenen Europa ohne Grenzen sehr eindrücklich dokumentiert.